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Herzgeschichten

Mann in weißen T-Shirt hält mit seiner Hand ein rotes Herz an die linke Brust

Jede(r) Herzpatient*in hat eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Wir haben uns sehr gefreut, dass Einige ihre Geschichte mit uns teilen – als Mutmacher, Orientierung oder Hilfestellung für alle, die Ähnliches erlebt haben.

„Ich musste akzeptieren, dass ich nicht mehr so leistungsfähig war.

Und das fiel mir sehr schwer.“

Andreas, 65 Jahre

Wir veröffentlichen hier immer wieder wechselnde Herzgeschichten,
die uns bewegt haben, und die wir gerne mit Ihnen teilen möchten.
Andreas, 65 Jahre

Das Interview mit Andreas führte Anja Wilde.

Andreas, möchtest Du am Anfang vielleicht etwas zu Deiner Herzerkrankung sagen?

Es begann 2017 im Spätherbst als ich feststellte, dass ich mich nicht wohlfühlte; ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl. Ich muss dazusagen, dass ich zuvor schon mehrere Jahre unter Bluthochdruck litt, aber eigentlich gut mit Medikamenten eingestellt war, aber irgendwie machte mein Herz komische Geräusche. Ich ging also zu meinem damaligen Kardiologen und der stellte Vorhofflimmern fest. Das hat mich ziemlich beunruhigt, und der Arzt schickte mich sofort in eine Klinik in München, und ich bekam Elektroschocks, die zunächst das Herz wieder in den normalen Rhythmus brachten. Das hielt 14 Tage an, aber dann kam es wieder zum Vorhofflimmern, wieder Elektroschocks… Und dann stellte man fest, dass die Mitralklappe nicht mehr richtig arbeitete, und man empfahl mir eine Operation. Mit diesem Befund bin ich dann in verschiedene Kliniken gegangen, um mir ein Bild zu machen. Ich habe mich dann für eine Klinik entschieden, die mir ankündigte, dass man diese Operation auch minimalinvasiv durchführen könnte; das hat mich sehr beruhigt. Ich bekam einen OP-Termin für Anfang Februar. Die Wartezeit war schwer, weil ich mir natürlich schon viele Sorgen und Gedanken machte. Bei der Voruntersuchung direkt vor der OP stellte sich heraus, dass eine minimalinvasive OP nicht stattfinden konnte, weil nicht nur eine Herzklappe defekt war, sondern auch eine zweite. Und somit eine Sternotomie, eine Durchtrennung des Brustbeins, durchgeführt werden musste – also das, wovor ich am meisten Angst hatte. Bei der Operation habe ich dann eine neue Mitralklappe bekommen und die Trikuspidalklappe wurde „repariert“.

Ich lernte, dass meine Psyche der Auslöser war.

Irgendwann bin ich auf der Intensivstation wieder aufgewacht, mein Herz konnte aus eigener Kraft nicht mehr schlagen und ich bekam drei Tage später noch einen Schrittmacher implantiert. Nach 14 Tagen ging ich in die Reha und bekam dann regelmäßig Schwindelanfälle und Amnesien, wusste also teilweise nichts mehr über das Hier und Jetzt. Das zog sich sehr lange und über verschiedene Fachärzte hin, aber keiner konnte was finden.  Bis man dann der Meinung war, dass das als Folge der Herzoperation psychisch bedingt ist. Also habe ich mich in Behandlung begeben, zunächst in einer Klinik und dann bei einem Tiefenpsychologen. Der hat mir sehr geholfen, Schwindelattacken und Gedächtnisverlust zu überwinden. Die Diagnose war: Panikattacken. Ich wusste zunächst nicht, was das bedeutet, und konnte nichts damit anfangen, aber ich lernte dann, dass meine Psyche der Auslöser für Schwindel und Vergesslichkeit war. Der Psychologe hat mich mit Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt, so dass ich akzeptieren konnte, dass ich durch die Herzerkrankung nicht mehr so leistungsfähig war.  Das fiel mir sehr schwer, weil ich immer ein Macher-Typ war, immer Vollgas gegeben habe, und das funktionierte halt nicht mehr. Das zu akzeptieren und damit umzugehen, das ist mir sehr schwergefallen.

Wenn Du zurückschaust, wie ist Deine Einschätzung, was zu der Erkrankung geführt haben könnte?

Wenn ich jetzt über meine Herzerkrankung nachdenke, dann glaube ich, dass ich jahrzehntelang zu wenig Rücksicht auf mich genommen habe; das heißt ich habe immer sehr viel gearbeitet, gerne gearbeitet, und dann auch nicht auf die Stunden geschaut. Ich war 10 Jahre lang selbstständig, zuvor in leitenden Positionen in verschiedenen Unternehmen, habe Unternehmen geleitet, und hab teilweise bis zu 14 Stunden am Tag gearbeitet.

Ich hätte mehr Rücksicht auf mich selbst nehmen müssen.

Worauf ich dabei keine Rücksicht genommen habe, war ich selbst als Person und auf meinen Körper. Dabei hatte ich Ende der 90er Jahre schon den ersten Warnschuss bekommen mit einer schweren Wirbelsäulenerkrankung, die im Nachhinein betrachtet, sicher auch große psychische Hintergründe hatte, aber ich habe nichts daraus gelernt, und ich habe damals nicht erkannt, dass ich eigentlich kürzertreten oder mehr Rücksicht nehmen müsste auf mich selbst. Ich bin heute davon überzeugt, dass die andauernde Überlastung sehr stark zu der Herzerkrankung beigetragen hat; ich hätte mir mehr Auszeiten gönnen müssen, um von meinem Körper nicht nur zu nehmen, sondern ihm auch etwas zurückzugeben.

Du hast geschildert, dass es im Vorfeld und nach der Erkrankung diese psychischen Belastungen gegeben hat. Wie bist du damit umgegangen? Was konntest Du verändern? Was hast Du für neue Ansätze für Dich gefunden?

Mein erster Gedanke war, dass ich eine Selbsthilfegruppe gründen will, und im Zuge dieser Überlegungen lernte ich den Verein „Herz ohne Stress“ und Helmut Bundschuh kennen und schloss mich einfach an, weil da genau das passiert, was ich mir vorgestellt und gewünscht habe: Austausch mit anderen Betroffenen.

Im Austausch mit anderen meine Erfahrungen weiterzugeben, hat mir sehr geholfen.

Und ich konnte meine Erfahrungen weitergeben, andere Menschen in solchen Situationen begleiten. Mir ist es ein Anliegen zu vermitteln, dass es sehr wichtig ist, sich schon vor der Operation darauf vorzubereiten, dass eventuell psychische Probleme entstehen können, und sich mit diesen Fragen zu beschäftigen: Wie kann ich diesen entgegenwirken? Wo kann ich mir Hilfe holen? Und ähnliches mehr. Ich bin diesen Schritt mit dem Verein gegangen und das hat mir insgesamt sehr geholfen.

Das komplette Interview mit Andreas, mit weiteren wertvollen Tipps, wie er sein Leben für sich neu sortiert hat, finden Sie im aktuellen Themenheft – als Video in der digitalen Ausgabe.

Einfach dabei sein und

Erzählen

Vielleicht möchten Sie auch Ihre Herzgeschichte erzählen und Ihre Erlebnisse mit anderen teilen?

Wir freuen uns auf Ihre Geschichte! Bitte melden Sie sich bei unserer Online-Redakteurin, Anja Wilde.