Herbst 1985
Der Beginn dieser Geschichte ist reichlich unspektakulär. Ich bin 10 Jahre alt. Es ist Herbst und ich liege im Bett mit Mumps. Solche Krankheiten hatte man damals noch. Es heißt mit dicken Backen und Fieber zwei Wochen das Bett hüten.
Im September frisch aufs Gymnasium gewechselt, ist es keine gute Idee gleich so lange krank zu sein. Das sollten aber nicht die letzten zwei Wochen sein, die ich in diesem Schuljahr fehle. Noch geschwächt von der Mumps, setzt sich gleich noch ein Grippevirus obendrauf. Sein Name: Coxsackie B. Ein kleiner Spoiler: Bis heute trage ich diesen Virus in meinem Herzgewebe. Auch hier wieder zwei Wochen zu Hause im Bett und auskurieren. Danach geht es endlich wieder in die Schule.
Mir ist noch ein Schwimmunterricht von nach dieser Krankheitsphase in Erinnerung. Wir sollten einfach nur eine Bahn brustschwimmen. Ich war so schwach, dass die Sportlehrerin mich an den Rand zog. Ich hätte diese Bahn nicht zu Ende schwimmen können.
Das muss so Richtung Weihnachten gewesen sein. Denn kurz darauf sind wir in den Weihnachtsferien nach Österreich in den Skiurlaub aufgebrochen. Mama, Papa und wir drei Mädels. Das Ziel: der Sonnberghof in Mittersill. Hier hatten wir schon den ein oder anderen Sommerurlaub verbracht. Wunderschön. Nichts als Natur ringsherum. Diesmal also im Winter.
Der Rat der Hausärztin: Sie soll sich nicht so anstrengen, aber der Orts- und Klimawechsel tun ihr bestimmt gut.
Doch es ging mir nicht gut. So richtig kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an einem der Weihnachtsfeiertage habe ich angefangen zu spucken. Es kam ein Arzt ins Hotel. Ich denke, er hat auf Magen-Darm-Verstimmung getippt. Ein, zwei Tage später mussten wir dann noch mal in die Praxis kommen. Es ging mir immer noch nicht besser. Die Blutwerte zeigten zu hohe Entzündungswerte. Deshalb wurde besprochen, dass ich zur weiteren Abklärung ins Krankenhaus nach Mittersill eingeliefert werden soll.
Auch hier sind meine Erinnerungen sehr vage. Was mir aber nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist, ist ein Zimmer mit acht Betten. Ich war dort allein untergebracht. Alle anderen Betten waren leer. Es war dunkel, ich habe viel geschlafen und nur Zwieback zu essen bekommen.
Nach verschiedenen Untersuchungen wie Röntgen, Ultraschall und Blutabnahmen, musste ich ins nächstgrößere Krankenhaus nach Zell am See. Wenn ich mich richtig erinnere mit dem Krankenwagen. Ab hier war dann endlich klar, dass es ein Problem mit dem Herzen gibt. Es wurden alle möglichen Unikliniken in Österreich „abtelefoniert“, um noch weitere Meinungen von Ärzten einzuholen. Dies hört sich an, als wären wir im Mittelalter, aber mal schnell eine Mail mit Ultraschallbildern in ein anderes Krankenhaus für eine Zweitmeinung, war bislang nicht möglich. Die Ärzte fragten meine Eltern, wo es nach dem Urlaub hingeht. Diese antworteten: nach Erlangen in die Kinderklinik. So nahmen sie Kontakt zu Professor Singer auf. Kinderkardiologe seines Zeichens.
Die Fahrt nach Erlangen in unserem „feuerroten Spielmobil“ war spektakulär. Sowohl in puncto Sicherheit (ich lag einfach auf der Rücksitzbank) als auch krankheitsbedingt (laut Herrn Professor Singer: „Sie hätte mit dem Krankenwagen am EKG-Monitor transportiert werden müssen“).
Wir waren irgendwann abends in Erlangen angekommen. Herr Professor Singer war schon im Feierabend und wollte aber informiert werden, sobald ich da bin. Zurück in der Klinik gab es für ihn die erste Diskussion mit mir. Ich wollte nicht auf die Intensivstation. Er ließ sich erweichen und wir einigten uns auf Infektionsstation. Sobald es schlechter werden würde, müsste ich aber verlegt werden. Es wurde schlechter. Natürlich wachte ich am Morgen auf Intensiv auf.
Irgendwann war klar:
• Myokarditis ausgelöst durch Coxackie B
• wahnsinnige Rhythmusstörungen
• schlechte Leberwerte
• Bauchspeicheldrüsenentzündung
Ab jetzt war strengste Bettruhe angesagt. Zwei m²-Bett waren nun meine Welt. Für alles. Wirklich alles. Schlafen, Essen oben rein unten wieder raus (natürlich auch im Bett), lesen, Besuch empfangen. Da ich den Spielraum von m² wirklich extrem ausweitete (man kann hier turnen, Purzelbäume schlagen, hüpfen uvm.) erhielt ich den Spitznamen Pumuckl von Herrn Professor Singer. Ich glaube, es hatte auch ein wenig mit meiner Lache zu tun. Auch damals schon habe ich sehr viel gelacht und war trotz allem ein positives Kind.
Zu Besuch empfangen kann ich so viel sagen: Meine Mutter hat mich vormittags besucht, da meine Schwestern damals nicht in die Kinderklinik durften und in Kindergarten und Grundschule gut aufgehoben waren. Ich glaube, da durfte man erst ab 12 Jahren rein. Daher auch keine Besuche von Freundinnen. Meine Großeltern kamen jeden Samstag mit einem Stück selbstgebackenem Kuchen.
Ein kleines Highlight war der Besuch im Hörsaal bei den Studierenden. Ich wurde vorbereitet, nichts zu verraten, warum ich hier bin. Die Studierenden sollen durch Fragen selbst auf meine Diagnose kommen. Nur so viel: ich habe gar nichts gesagt. Der Hörsaal hat mich anscheinend so beeindruckt, dass ich kein Wort mehr herausgebracht habe. Manche der Studierenden wissen wahrscheinlich bis heute nicht, welche Krankheit ich hatte. Aber, dass Kinder auch mal nicht mitspielen, haben sie auf jeden Fall gelernt.
Nach vielen Diskussionen mit Professor Singer, ob ich auch mal wieder raus darf aus meinem Bett, hatte er Mitleid und kam mir entgegen. Die ersten Tage ging das natürlich nur unter Aufsicht und sehr langsam. Aber ein paar Tage üben und ich konnte mit den anderen Kindern am Gang Fußball spielen. Und wer kam aus dem Aufzug in meine Richtung, als ich Anlauf nahm? Professor Singer! Tja, ab da durfte ich nur noch vormittags und nachmittags eine Stunde unter Aufsicht raus aus dem Bett. Ganz besonders gut, nämlich gar nicht, hat mir gefallen, dass die Stunde vormittags in der Krankenhausschule stattgefunden hat. Ich mochte die Lehrerin überhaupt nicht.
Das ging 16 Wochen so. Neun Wochen strengste Bettruhe, den Rest die meiste Zeit auch am Monitor zur Überwachung.
Weitere Diskussionen gab es auch über den Tag der Entlassung. Hier wurde ich immer wieder vertröstet. Doch zu meinem Geburtstag im März durfte ich dann endlich heim. Hier lag ich noch die
meiste Zeit im Bett. Nur langsam wurde alles besser. Ab nach den Pfingstferien konnte ich dann auch wieder in die Schule. Durch die große Fehlzeit musste ich aber die 5. Jahrgangsstufe wiederholen.
Bis zum Ende der Schulzeit stand in meinen Zeugnissen: „Die Schülerin war vom Unterricht im Fach Sport befreit.“ Sport war für mich: brav auf der Langbank neben den Sportlehrern sitzen…
Bis ich 19 Jahre alt war, musste ich zweimal im Jahr zur Kontrolle in die Kinderklinik nach Erlangen zu Herrn Professor Singer. Ich durfte dann die Tabletten absetzen, die ich bis dahin regelmäßig nehmen musste. Hier endet der erste Teil meiner Herzgeschichte. Bis zum Alter von 30 Jahren war ich gesund, mit einer Narbe am Herzen. So hätte es weitergehen können…
Noch eine kleine Anmerkung zu den 11 Jahren zwischen Myokarditis eins und zwei:
Mit Maximilian war ich im Alter von 21 Jahren schwanger. Mit gerade einmal 22 habe ich ihn auf normalem Weg entbunden. Das war jetzt nicht unbedingt so geplant. Ich hatte mich in dieser Zeit eigentlich für ein Innenarchitektur-Studium entschieden. Da kam der Glücksfall Maximilian dazwischen. Im Alter von 24 kam Basti dazu. Auch eine ganz normale Geburt.
Viele Menschen haben immer wieder zu mir gesagt, auch heute noch: Du hast aber früh angefangen!
Rückwirkend kann ich dazu nur sagen, wenn ich länger gewartet hätte, hätte ich keine Kinder bekommen dürfen, da meine Tabletten, die ich wieder nehmen muss – seit ich 30 bin – Schwangerschaften verbieten.
Ich bin sehr glücklich, so früh Kinder bekommen zu haben, sonst hätte ich wohl nie diese beiden wunderbaren Kinder groß werden sehen können. Jetzt sind sie schon erwachsen und aus dem Haus. Gerade weil ich so früh angefangen habe…
Nun wieder zurück zur Herzgeschichte: Myokarditis 2.0
An Weihnachten (ja, schon wieder) im Jahre 2005 hatte ich einen seltsamen Ausschlag an Armen und Beinen. Und wie das an Weihnachten so ist, ist nicht der eigene Hausarzt da. Und die Vertretung von der Vertretung hatte wohl ihre Gedanken eher unterm Weihnachtsbaum zu Hause und nicht bei der Patientin. Ich wurde gefragt: Haben Sie das Waschmittel gewechselt? Haben Sie anders gegessen als sonst? Beim Verneinen meinerseits hieß es: Na ja, manchmal findet man es auch nicht heraus…
Das hieß dann nach Weihnachten Rhythmusstörungen (LZ-EKG über 24 Stunden ca. 20.000 Extrasystolen), Schwäche und ab ins Krankenhaus. Blutabnahme und herzlichen Glückwunsch: Parvovirus! Der Kardiologe war total begeistert. Er wäre erst vor Weihnachten in Marburg bei einem Kongress gewesen und da wurde darüber gesprochen, dass Parvoviren gerne zum Herzen marschieren und Herzmuskelentzündungen verursachen können.
Mir war jetzt nicht unbedingt zum Feiern zumute, aber ich wusste wenigstens was mit mir los war. Und was auf mich zukommen würde. Die Jungs waren wirklich noch sehr klein. Gerade mal 6 und 8 Jahre alt. Basti ging noch in den Kindergarten. Michi musste natürlich weiterarbeiten. Daher haben wir eine Haushaltshilfe über die Krankenkasse organisiert. Das war unsere Moni.
Moni kam früh um sieben und hat die Kinder fertig für Kindergarten und Schule gemacht. Brotzeitboxen gefüllt und Basti in den Kindergarten gebracht. Dann kam sie zurück und hat den Haushalt übernommen und gekocht.
Die Jungs sprechen bis heute noch von den leckersten Grießschnitten, die sie je gegessen haben. Als es mir dann wieder etwas besser ging, mussten wir Moni leider ziehen lassen, da es für uns viel zu viel Zuzahlung war, dass wir es uns nicht mehr leisten konnten. Schade…liebe Moni, danke noch mal für alles!
Bis mein Leben wieder gerade lief, hat es ein Jahr gedauert.
Alles in allem war diese Herzepisode wieder ganz gut ausgeheilt. Meine Herzleistung war wieder fast im normalen Bereich. Die Rhythmusstörungen wurden medikamentös behandelt.
2010 Myokarditis 3.0
Es ging wieder Richtung Weihnachten. In der Arbeit gab es viel Stress und einen bösen Kontrolletti-Chef. Das war sehr schwierig für mich. Dann hatte ich eine schwerere Erkältung und kam davon nicht mehr hoch. Seitdem hat sich zu den vorhandenen Herzproblemen, ein Rechtsschenkelblock dazugesellt. Die Rhythmusstörungen waren wieder schlimmer geworden.
Ich hatte damals noch einen sehr seltsamen Kardiologen. Dieser behauptete steif und fest, dass ich von der Krankenkasse keinen Herzkatheter bezahlt bekommen würde, obwohl er diese Untersuchung empfohlen hatte. Daher würde er mich auch nicht in die Klinik überweisen. Ich hatte sogar von der Krankenkasse schriftlich, dass sie diese Untersuchung übernehmen, er weigerte sich weiter. Kurz gesagt, ich weigerte mich weiter zu ihm in die Praxis zu gehen und bin seitdem bei der besten Kardiologin, die es gibt.
Von ihr bekam ich dann den Überweisungsschein für die Ablation im Südklinikum. Wenn ich mich ganz richtig erinnere, gab es sogar noch ein Herz-MRT. Ob vorher oder nachher, weiß ich nicht mehr.
Die Ablation war leider ohne Erfolg. Zur Erklärung: Dies war die schlimmste Untersuchung, die ich je in meinem Leben ertragen musste. Es wird erklärt wie eine Herzkatheter-Untersuchung. Ist aber etwas spektakulärer, weil durch Gabe von Adrenalin, Rhythmusstörungen ausgelöst werden, um die Rhythmusstörungen im Herzen zu lokalisieren. Dann werden diese verödet und das Herz schlägt wieder in gutem Rhythmus. So die Theorie. In meinem Herzen kommen die Rhythmusstörungen aus neun verschiedenen Zellklumpen. Daher ist die Gefahr von Nachblutungen nach dem Veröden zu groß und die Ärzte haben sich dazu entschieden, nicht zu veröden und lieber eine medikamentöse Therapie einzuleiten. Dies funktioniert bis heute optimal und ich habe an sehr guten Tagen nur 20 – 30 Rhythmusstörungen.
In diesem Jahr bekam ich auch noch eine Biopsie, um festzustellen, was sich so in meinem Herzen im Muskelgewebe tummelt. Die Biopsie ist eine Herzkatheter-Untersuchung, bei der Herzgewebe entnommen wird, um es zu untersuchen. Hier wurde der Parvovirus im aktiven Zustand bestätigt. Er hatte sich also reaktiviert und die Myokarditis 3.0 ausgelöst.
Ein Jahr später wurde diese Untersuchung wiederholt. Ergebnis: in meinem Herzen wohnt ein Parvovirus (im Moment inaktiv) und wartet auf die Gelegenheit hochzukochen und wieder eine Myokarditis auszulösen.
Nachdem alles wieder einigermaßen in Ordnung war, hatte ich eine Reha beantragt und kam in den Genuss in Bernried in der Klinik Höhenried eine kardiologische Reha anzutreten. In wunderbarer Natur an einem besonderen Fleckchen Erde konnte ich meine Herzleistung wieder auf 45-50 % trainieren.
Fünf Jahre später, 2015,
hatte ich es leider übertrieben. In der Arbeit viel Stress. Aber nicht die Arbeit war stressig, sondern eine böse Kollegin und ein ignoranter Vorgesetzter, haben mich in den Burn-out getrieben. Es war wieder einmal Weihnachten und es ging mir nicht gut. Ich war schwach und spürte wieder Rhythmusstörungen. Daher hatte ich dann auch gleich einen Termin bei der Kardiologin für Januar ausgemacht.
Es waren auf jeden Fall wieder sehr viel mehr Rhythmusstörungen vorhanden. Aber keine Anzeichen für eine Myokarditis. Einerseits zum Glück andererseits, was war denn dann los? Es folgte ein MRT. Hier wurde auch keine Myokarditis bestätigt.
Nach längerem Hin und Her war stressbedingter Burn-out am wahrscheinlichsten. Leider eben wieder mit Rhythmusstörungen. Es ging mir genauso schlecht, wie bei allen drei Herzmuskelentzündungen. Nur die Psyche war diesmal zusätzlich stark angeknackst. Es dauerte wieder lange Zeit, bevor ein wenig Besserung eintrat. Ich beantragte eine Reha. Wieder in Höhenried, diesmal aber als Psycho-Kardiologie. Fünf Wochen am Starnberger See.
Die Umgebung ein Traum. Das Wetter ein Traum. Und zusätzlich noch zwei Herzensmenschen kennengelernt, die mich bis heute begleiten. Wir treffen uns dreimal im Jahr und es ist immer wieder schön, mit Menschen Zeit zu verbringen, die ein ähnliches Schicksal teilen und doch eine riesige Lebensenergie mitbringen. Diese teils ernsten und doch wieder so lustigen, optimistischen Wochenenden sind Teil meines Lebens geworden und ich möchte nicht eine Sekunde davon missen.
Die Reha selbst brachte psychisch Verbesserung, aber auch das Bewusstsein, dass es im Herzen nicht mehr besser werden kann. Hier hieß es schon damals: wenn sich etwas ändert, dann leider nur in die negative Richtung.
Im Herbst 2016 hatte ich dann großes Glück und konnte einen Platz in der psychosomatischen Tagesklinik in Erlangen ergattern. Über acht Wochen war das nun meine Arbeit. Früh um 8:00 Uhr hin, nachmittags um 16:00 Uhr zurück nach Hause und das dort gelernte im Alltag umsetzen. Ich lernte hier unter anderem auch, dass ich körperlich meinen Beruf nicht mehr ausüben kann und mir etwas Neues suchen musste.
Diese Episode war auch etwas ganz Besonderes. Und zwar etwas ganz besonders Erniedrigendes. Mit dieser Abteilung der Rentenversicherung lief es irgendwie nicht so. Es wurde mir mitgeteilt, dass ich keinerlei Umschulung im Bereich Pädagogik oder Psychologie erhalten würde, da in meinem Rehabericht etwas von „depressiver Phase“ stand. Der Termin bei der Sachbearbeiterin war so schlimm für mich. Sie behandelte mich derart respektlos, dass ich in ein noch tieferes Loch fiel.
Alle Ausbildungen zum psychologischen Berater, Kunsttherapeuten, Entspannungstherapeuten, etc. zahlte ich also selbst. Inklusive der Ausbildung zum Fachpädagogen für Ganztagsschule habe ich ca. 15.000 € selbst in die Hand genommen. Das ging natürlich nur, weil mein Mann mich in allem, was ich vorhatte, tatkräftig unterstützte. Danke Schatz!
Und dann kam Corona:
Die ersten eigenen Berührungspunkte hatte ich im Januar 2020. Ich war zur Reha in Bad Nauheim. Hier sollte mal herausgefunden werden, ob ich noch herzkrank bin. Ich muss dazusagen, dass die Initiative von der Agentur für Arbeit kam. Nur kurz, sie haben mich entlassen, mit dem Zusatz, ich könnte wieder acht Stunden am Tag arbeiten und ich hätte keine Rhythmusstörungen. Meine Anmerkung, ich würde ja auch Tabletten nehmen, die diese regulieren, haben sie beleidigt ignoriert.
Hier in der Reha wurde Corona noch heruntergespielt. Meine Tischnachbarin im Speisesaal hatte Magen-Darm, ich hatte drei Tage Fieber. Aber natürlich haben die Ärzte nur gelacht, wenn man Corona erwähnte. Das wäre alles übertrieben. Zwei Monate später wurden Schulen geschlossen und das Leben aller auf zu Hause beschränkt. Wie lächerlich, sich in einer Rehaklinik damit ernsthafter zu beschäftigen.
Ein Jahr der Entbehrungen, Maskentragen und Schule nur für Kinder aus Familien mit systemrelevanten später gab es dann eine Impfung gegen Corona. Ich wollte diese nicht. Ich hatte Angst vor den Nebenwirkungen. So wie vor allen anderen Nebenwirkungen aller anderen Impfungen auch. Jeder – Ärzte, Familie, Freunde, Kollegen – fragten immer wieder, ob ich mich nun schon habe impfen lassen. Es wäre doch besser bei mir als Herzpatientin.
Das Ergebnis: Ich ließ mich impfen. Auch aus den damals so hochgelobten solidarischen Gründen. Nach der zweiten Impfung hatte ich eine Routineuntersuchung im MRT. Bei der Besprechung der Ergebnisse bei meiner Kardiologin habe ich es erst nicht richtig verstanden. „Ich weiß gar nicht, wie ich es Ihnen sagen soll… Ihre Herzinsuffizienz rechts ist um 10 % schlechter geworden. Nur noch 35 %.“ Hier hatte noch niemand von Impfschäden am Herzen durch die Coronaimpfung gewusst oder gesprochen. Und da ich ja schon lange Herzprobleme und Schäden davon hatte, bestätigt mir bis heute niemand, dass die Verschlechterung von der Impfung kommen könnte. Was ich mir aber anhören darf: „Wer weiß, wie arg dich eine Infektion ohne Impfung getroffen hätte…“. Ja, ich weiß aber auch, dass mein Herz 10 % bessere Leistung vor der Impfung hatte.
Das Ganze hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Ich hatte wieder ein großes schwarzes Loch erreicht. Meine Rettung war ein Artikel über Psychokardiologie. Ein Verein namens „Herz ohne Stress“ aus München hatte mein Interesse geweckt. Ich beteiligte mich an den Montagsgesprächen und bekam viel Verständnis und Mitgefühl.
In der Reha im Februar 2022 lernte ich dann Helmut persönlich kennen. Er kam zu einem Vortrag nach Höhenried und es ergab sich für mich über eine Gründung einer Selbsthilfegruppe in Nürnberg nachzudenken. Dies wurde dann auch umgesetzt. Dorit und Tanja sind die organisatorischen Mitstreiterinnen. Wir treffen uns einmal im Monat und können hier zum Glück viele Themen, nicht nur die eigene Herzkrankheit und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Herausforderungen reden. Das tut sehr gut…
An Weihnachten 2023 bin ich mal wieder in ein Tal der Traurigkeit gefallen. Dies wird auch immer wieder passieren. Ich bin immer im Zwiespalt: das Leben genießen, auch wenn es an manchen Tagen vielleicht zu anstrengend ist, oder extrem auf sich aufpassen, auch wenn es dann zu langweilig wird und die Gedankenschleife wieder einsetzt, die mich wieder nach unten zieht.
Es ist schwierig für mich, die Herausforderungen und Einschränkungen zu akzeptieren. Für mich habe ich erkannt, ich habe Angst davor, alles zu akzeptieren, weil ich nicht weiß, wie das mein Leben danach beeinflussen wird. Dass es mein Leben beeinflussen wird, ist für mich aber klar.
Diese Zeilen habe ich in den Faschingsferien 2024 verfasst. Es geht mir gerade wieder ganz gut. Dank meines tollen Arbeitgebers habe ich in den Ferien immer frei. Und dank meines Mannes Michi immer die notwendige Unterstützung in allen anderen Lebensbereichen.
Ich hoffe, ich kann den Status quo noch 50 Jahre erhalten. Dann wäre ich eine sehr glückliche, sehr alte Frau. Ich werde mich, Stand heute und jetzt, aber nicht einschränken. Aalso nicht noch mehr, als ich es ohnehin schon muss. Ich weiß, dass ich auf mich achten muss, aber ich will auch das Leben genießen…
Februar, 2024